Entlohnung in der „24-Stunden-Betreuung“

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Pflege in Privathaushalten Entlohnung in der „24-Stunden-Betreuung“

Aus dem Ausland entsendete Betreuungskräfte, die in privaten Haushalten leben und arbeiten – also in der Pflege und im Haushalt unterstützen –, haben Anspruch auf Bezahlung ihrer Bereitschaftszeit. Dies gilt auch, wenn vertraglich etwas anderes vorgesehen ist. Dies bestätigte das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom Juni dieses Jahres.

Die bulgarische Klägerin hatte mit einer bulgarischen Vermittlungsagentur einen Arbeitsvertrag nach bulgarischem Recht als Sozialassistentin geschlossen. In dem Vertrag war die Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche festgelegt. Aufgrund eines Dienstleistungsvertrags der Vermittlungsagentur wurde die Klägerin als Betreuungskraft (Live-In) nach Berlin entsandt, um in einem Haushalt eine 90-jährige Pflegebedürftige zu versorgen. Vorgesehene Tätigkeiten waren die für eine Live-In typischen Tätigkeiten im Haushalt und die Grundversorgung der Pflegebedürftigen. Als Verdienst waren 950 Euro netto pro Monat vorgesehen. Wie die in der Branche übliche Werbung für eine „24-Stunden-Pflege“ suggeriert, wurde von der Klägerin aber erwartet, dass sie deutlich mehr als die festgelegten 30 Stunden Arbeit leistete und sich für Arbeitseinsätze bereithielt (etwa nachts).

Die Klägerin hatte auf nachträgliche Lohnzahlungen geklagt, da sie aus ihrer Sicht deutlich über den vertraglich festgelegten Rahmen von 30 Stunden pro Woche Arbeits- und Bereitschaftszeit in dem Haushalt zu leisten hatte. In der Vorinstanz war das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg von einer Entlohnung basierend auf 21 Stunden Arbeits- und Bereitschaftszeit pro Tag ausgegangen. Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall nun an das Landesarbeitsgericht zurück, um die entscheidenden Tatsachen für die Bestimmung des Umfangs der zu entlohnenden Stunden nochmals ermitteln zu lassen; machte aber bereits klar, dass es von tatsächlichen Arbeits- und Bereitschaftszeiten ausgeht, die deutlich über den vertraglich festgelegten 30 Stunden pro Woche liegen.

Das Urteil (BAG vom 24.06.2021 – 5 AZR 505/20 ) bestätigte in höchster Instanz, dass auch in der Branche der häuslichen Betreuung, die unterhalb professioneller Pflege praktiziert wird, Bereitschaftszeiten zu zahlen sind. Lange lief die häusliche Betreuung unterhalb des Radars gesellschaftlicher und sozialer Anerkennung, da sie nicht Teil des Pflege- und Leistungssystems in Deutschland ist. Dabei spielt sie mittlerweile eine unverzichtbare Rolle in Deutschland: Viele Haushalte könnten eine Versorgung Pflegebedürftiger in den eigenen vier Wänden ohne Unterstützung von Live-Ins gar nicht umsetzen, da Familienangehörige diese nicht alleine schultern können und ambulante Pflege nicht rund um die Uhr zur Verfügung steht oder nicht bezahlbar ist. Insofern ist perspektivisch anzunehmen, dass es nach diesem Urteil zu Veränderungen in der Branche und möglicherweise auch im deutschen Pflege- und Leistungssystem kommen wird, denn wenn der Betreuungskraft künftig mehr gezahlt werden muss (weil eben auch Bereitschaftszeit gezahlt werden muss), steigen zwangsläufig entweder  die Kosten für die auf Unterstützung durch Live-Ins angewiesenen Haushalte oder die Leistungen müssen eingeschränkt werden.

Live-In Beratung in den sozialen Medien

Die EU-Gleichbehandlungsstelle fördert das Migrationsberatungsprojekt MB 4.0, über das die Beratung von EU-Bürgern/innen in den sozialen Medien getestet wird. Projektträger ist Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung. Ein Schwerpunkt des Projekts ist die Beratung von Live-Ins seit Juli 2019. Der Schwerpunkt startete mit der Beratung polnischer Live-Ins. Im ersten Halbjahr 2021 fand eine Erweiterung auf die Sprachen Bulgarisch, Kroatisch, Rumänisch und Tschechisch/Slowakisch statt.