Indexierung von Familienleistungen rechtswidrig

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Kindergeld Indexierung von Familienleistungen rechtswidrig

EU-Staatsangehörige, die als Wanderarbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden, müssen Familienleistungen wie Kindergeld in gleicher Höhe erhalten wie Inländer. Dies ist auch der Fall, wenn sich deren Kinder im Herkunftsland aufhalten. Die Koppelung der Familienleistungen an Lebenshaltungskosten im Herkunftsland verstößt gegen Unionsrecht.

Die Europäische Kommission hatte im Juli 2020 eine Vertragsverletzungsklage gegen Österreich eingereicht. Gegenstand der Klage waren österreichische Regelungen zu einem Indexierungsmechanismus, die Anfang 2019 in Kraft getreten waren. Nach Ansicht der Kommission waren die österreichischen Rechtsvorschriften über die Indexierung für Familien diskriminierend und nach dem EU-Recht nicht zulässig.

Der österreichische Indexierungsmechanismus beinhaltete die Anpassung der Höhe der Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen sowie anderer steuerlicher Vergünstigungen für Familien, die in Österreich leben, deren Kinder aber in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnten. Bei der Berechnung waren die dortigen Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Die steuerliche Vergünstigungen umfassten den Kinderabsetzbetrag, den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag.

In seinem Urteil stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag Familienleistungen im Sinne der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Europäischen Union sind
(Verordnung Nr. 883/2004). Die Familienleistungen dürfen nach Verordnungsrecht nicht aufgrund der Tatsache des Aufenthalts der Kinder in einem anderen Mitgliedstaat gekürzt oder geändert werden, sondern müssen genau jenen entsprechen, die ein Mitgliedstaat – hier Österreich – Erwerbstätigen gewährt, deren Kinder im Inland wohnen. Der EuGH führte aus, dass bei der Berechnung der Höhe der Leistungen auch nicht nach verschiedenen Wohnorten innerhalb des Staatsgebietes Österreichs nach Lebenshaltungskosten differenziert werde.

Was die Familienbeihilfe und die Gesamtheit der Steuervergünstigungen betrifft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach den Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unzulässig sei (Verordnung Nr. 492/2011). Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert (Artikel 45 Absatz 2 AEUV ). Da der Indexierungsmechanismus nur dann zum Tragen kommt, wenn das Kind nicht in Österreich wohnt, betrifft er im Wesentlichen Wanderarbeitnehmer/innen aus anderen Mitgliedstaaten, da insbesondere ihre Kinder möglicherweise noch in diesem Mitgliedstaat wohnen. Oft handelt es sich dabei um Mitgliedstaaten, in denen die Lebenshaltungskosten niedriger ausfallen als in Österreich.

Der Anpassungs- oder Indexierungsmechanismus stellt daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nicht zu rechtfertigen ist. Wanderarbeitnehmer/innen sind in gleicher Weise wie inländische Erwerbstätige an der Festsetzung und Finanzierung der Beiträge, die der Familienbeihilfe und den Steuervergünstigungen zugrunde liegen, beteiligt. Folglich verstößt die streitige österreichische Regelung auch gegen die Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (Verordnung Nr. 492/2011).

Der Gerichtshof hat der von der Kommission erhobenen Vertragsverletzungsklage in vollem Umfang stattgegeben (C-328-20 ). Damit ist Österreich aufgefordert, die Regelungen zur Indexierung anzupassen, damit sie nicht mehr gegen Unionsrecht verstoßen. Das Urteil ist auch für Deutschland wegweisend, denn auch hierzulande hat es in den letzten Jahren wiederholt Diskussionen über eine Anpassung des Kindergeldes an Lebenshaltungskosten gegeben.