Familienangehörige aus Drittstaaten mit Kindern

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Aufenthaltsrecht Familienangehörige aus Drittstaaten mit Kindern

Für Drittstaatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiet der Europäischen Union aufhalten und deren Familienangehörige zwar Unionsbürger sind – aber als Inländer in ihrem Land leben – kann sich aus einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis ein Aufenthaltsrecht ergeben. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis kann etwa zwischen einem drittstaatsangehörigen Elternteil und seinem Kind mit Unionsbürgerschaft bestehen.


In den beiden zusammengelegten Verfahren (C-451/19 und C-532/19 ), die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden wurden, handelte es sich jeweils um Familienkonstellationen im Staatsgebiet Spaniens mit jeweils einem spanischen Staatsangehörigen und einem Drittstaatsangehörigen als Ehepaare. In beiden Fällen gab es in den Familien Kinder mit spanischer Staatsangehörigkeit. Im Fall C‑451/19 hatte die Ehefrau, eine venezolanische Staatsangehörige, noch ein Kind aus voriger Beziehung, ebenfalls mit venezolanischer Staatsangehörigkeit. Hier beantragte der spanische Stiefvater für das Kind ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörigem eines Unionsbürgers. Im Fall C‑532/19 war die Ehefrau spanische Staatsangehörige, der Ehemann peruanischer Staatsangehöriger. Der Ehemann beantragte für sich ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin.

In beiden Fällen lehnten die zuständigen Behörden die Anträge ab; im Fall C-451/19 mit der Begründung, der Stiefvater als Antragsteller habe nicht wie nach spanischem Recht erforderlich nachgewiesen, über ausreichende Existenzmittel für sich selbst und seine Familienangehörigen zu verfügen. Im Fall C-532/19 begründete die Behörde ihre Ablehnung mit den Vorstrafen des Antragstellers (wegen Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis und wegen Trunkenheit im Straßenverkehr) und damit, dass seine Ehefrau für sich selbst und ihre Familienangehörigen nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge.

Inländer ohne Ausübung der Freizügigkeit

Die Besonderheit in beiden geschilderten Fallkonstellationen liegt darin, dass es sich bei den jeweiligen Unionsbürgern, von denen ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger abgeleitet werden sollte, in beiden Fällen um Inländer handelte (spanische Staatsangehörige auf spanischem Staatsagebiet). Das heißt, sie hatten ihr Recht auf Freizügigkeit gar nicht ausgeübt. Daher stand den Drittstaatsangehörigen nicht das Aufenthaltsrecht als Familienangehörigen von freizügigkeitsberechtigen EU-Staatsangehörigen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat zu (vgl. § 3 FreizügG/EU im deutschen Recht).

Aufenthaltsrecht durch besonderes Abhängigkeitsverhältnis

Der EuGH machte aber in seinen Urteilen deutlich, dass versäumt worden war, ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu prüfen, aus dem sich ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht ergäbe. Dies sei nach Artikel 20 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) geboten. Ein solch besonderes Abhängigkeitsverhältnis könne den jeweilig betroffenen Unionsbürger bei einer Ablehnung des Aufenthaltsrechts für den Drittstaatsangehörigen dazu zwingen, das Staatsgebiet der Europäischen Union zu verlassen; bei einer Konstellation Elternteil und Kind leicht nachzuvollziehen. Damit könne der Unionsbürger nicht mehr die ihm zustehenden Rechte entsprechend seiner Unionsbürgerschaft ausüben, also „das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“ (Artikel 20 Absatz 2 a) AEUV). Allein fehlende Existenzmittel könnten einem Aufenthaltsrecht bei einem solchen besonderen Abhängigkeitsverhältnis nicht entgegenstehen.

Ausnahme: Eine Ausnahme von dem sich aus Artikel 20 AEUV ergebenden abgeleiteten Aufenthaltsrecht ergibt sich laut EuGH hingegen bei Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in einem Mitgliedstaat.

Ist der betroffene Unionsbürger minderjährig muss die Beurteilung, ob ein solches Abhängigkeitsverhältnis zu einem drittstaatsangehörigen Elternteil besteht, im Interesse des Kindeswohls unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden. Lebt der drittstaatsangehörige Elternteil mit dem anderen, die Unionsbürgerschaft besitzenden Elternteil dieses Minderjährigen, dauerhaft als Familie zusammen, wird ein solches Abhängigkeitsverhältnis widerlegbar vermutet (Fallkonstellation C-532/19). Der EuGH stellte aber klar, dass allein eine bestehende Ehe und sich daraus ergebende Pflichten zwischen einem inländischen EU-Staatsangehörigen und einem Drittstaatsangehörigen für ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis nicht ausreichten.
Das besondere Abhängigkeitsverhältnis, das ein Aufenthaltsrecht begründet, kann sich abgeleitet auch auf ein drittstaatsangehöriges Kind erstrecken: Im Fall C-532/19 hätte das (Halb-)Geschwisterkind mit EU-Staatsangehörigkeit gezwungen sein können, mangels Aufenthaltsrecht des anderen Kindes das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

Fazit

Die geschilderten Fälle spielten sich in Spanien ab. Die Ausführungen des EuGH sind allerdings ebenso relevant für vergleichbare Familienkonstellationen und sich daraus ergebende Aufenthaltsrechte in Deutschland, also Drittstaatsangehörige mit deutschen Partnern und ihre Kinder.