Fallbeispiel
Alba kommt aus Spanien. Sie ist seit zwei Monaten in Deutschland und hat einen Teilzeitarbeitsvertrag. Sie verdient 600 Euro monatlich. Ihr Ehemann, der in Spanien geblieben ist, hat die kolumbianische Staatsangehörigkeit und eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU in Spanien. Alba will, dass er zu ihr nach Deutschland kommt, um hier gemeinsam ein neues Leben aufzubauen. Der Mann von Alba hat bereits ein Stellenangebot aus Deutschland. Der Arbeitgeber will ihn sofort einstellen und fragt nun nach der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Alba hat bei der Ausländerbehörde vor Ort angerufen. Dort wurde ihr gesagt, dass sie ein ausreichendes Einkommen und eine große Wohnung braucht, damit ihr Mann nach Deutschland kommen darf. Die Aufenthaltspapiere soll er von Spanien aus beantragen. Der Arbeitgeber, der ihren Mann beschäftigten will, macht Druck: Wenn ihr Mann nicht innerhalb der nächsten Wochen die Stelle antritt, wird er jemand anderen einstellen müssen. Alba ist überfordert und überlegt, ob ihr Mann nicht ohne Papiere anfangen soll zu arbeiten.
Alba hat als freizügigkeitsberechtige Unionsbürgerin die gleichen Rechte wie deutsche Staatsangehörige. Dazu gehört auch das Recht, mit ihrer Familie zusammenzuleben.
Um genaue und zuverlässige Informationen über ihren Status zu bekommen, kann Alba eine Beratungsstelle kontaktieren, die zum Thema Aufenthaltsrecht berät. Die Beratung ist unentgeltlich. Um möglichst ein mutter- sprachliches Beratungsangebot in ihrer Nähe zu finden, recherchiert Alba hier:
https://www.eu-gleichbehandlungsstelle.de/ beratungsstellensuche
Wenn Albas Ehemann nachzieht, hat er als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin die gleichen Rechte wie seine Frau: Er darf sich in Deutschland aufhalten und arbeiten, ohne dass es einer weiteren Erlaubnis bedarf. Entgegen der telefonischen Auskunft der örtlichen Ausländerbehörde, spielt das Einkommen von Alba sowie die Größe ihrer Wohnung dabei keine Rolle.
Freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, bekommen auf Antrag eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht ausgestellt (Aufenthaltskarte). Albas Ehemann kann seine Arbeit allerdings bereits aufnehmen, bevor die Aufenthaltskarte aus- gestellt wird. Das Recht zur Arbeit ergibt sich bereits aus dem Gesetz und die Aufenthaltskarte hat nur einen „deklaratorischen“ Charakter, bescheinigt also nur das bestehende Aufenthaltsrecht. Albas Ehemann braucht also nichts zu befürchten und sollte regulär um einen Arbeitsvertrag bitten.
Da der Ehemann von Alba die Daueraufenthaltskarte aus Spanien hat, benötigt er kein Visum für die Einreise nach Deutschland. Ein gültiger Reisepass ist ausreichend.
Wenn er dieses Aufenthaltsdokument nicht hätte, müsste er grundsätzlich bei der Einreise ein Einreisevisum vorlegen. Was würde passieren, wenn er an der Grenze ohne Einreisevisum erscheinen würde? In diesem Fall könnte das Einreisevisum auch von den Grenzbehörden ausgestellt werden, wenn er nachweisen kann, dass er mit einer Unionsbürgerin verheiratet ist, die sich bereits in Deutschland aufhält. Als Nachweis muss er eine Heiratsurkunde vorlegen, die entweder in einem europäischen Land ausgestellt oder anerkannt und beglaubigt wurde.
Grundsätzlich ist Albas Mann verpflichtet, seinen Wohnsitz bei der Meldebehörde anzumelden, und zwar innerhalb von zwei Wochen nach Einzug in die neue Wohnung. Wenn ihr Mann seine Adresse in Spanien behalten hat, beginnt diese Frist erst in drei Monaten, nachdem er die Wohnung in Deutschland bezogen hat.
Eventuelle Schwierigkeiten mit der Anmeldung des Wohnsitzes beeinflussen nicht seine Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen (siehe hierzu Kapitel 1: Arbeiten ohne Meldeadresse).
Wenn der Ehemann von Alba sofort eine Arbeit auf- nimmt, wird er in der Regel vom Arbeitgeber kranken- versichert. Er muss dem Arbeitgeber nur mitteilen, bei welcher Krankenkasse er versichert werden will.
Wenn er die Arbeit nicht sofort aufnimmt, sollte er über Alba in die Familienversicherung aufgenommen werden, um zu vermeiden, dass er sich ohne Krankenversicherung in Deutschland aufhält.
Um die Aufenthaltskarte zu bekommen, muss sich der Ehemann von Alba an die Ausländerbehörde wenden.
Für die Ausländerbehörde brauchen Alba und ihr Mann ihre Heiratsurkunde. Es kann sein, dass Alba ihr Recht auf Freizügigkeit belegen muss. Dies kann sie z. B. in Form einer schriftlichen Beschäftigungsbestätigung des Arbeitgebers machen. Die Ausländerbehörde stellt die Aufenthaltskarte für Albas Mann aus. Sie ist 5 Jahre gültig.
Die Aufenthaltskarte wird innerhalb von sechs Monaten ausgestellt, nachdem erforderliche Angaben bei der Ausländerbehörde gemacht wurden. In dieser Zeit kann es für Albas Mann schwierig sein, seine Rechte (z. B. eine Arbeit aufzunehmen) nachzuweisen.
Er sollte daher nach der Einreise und der erfolgten Meldung im Einwohnermeldeamt unmittelbar zur Aus- länderbehörde vor Ort gehen. Dort bekommt er sofort eine Bescheinigung ausgehändigt, die seinen Antrag für die Aufenthaltskarte bescheinigt. Die Bescheinigung enthält zudem den Hinweis, dass Albas Mann berechtigt ist, eine Arbeit aufzunehmen. Diese Bescheinigung kann er z. B. seinem Arbeitgeber vorlegen.
Wenn Alba und ihr Mann bei der Erledigung der Formalitäten Schwierigkeiten mit der Durchsetzung ihrer Rechte haben, können sie sich auf der Seite der Gleichbehandlungsstelle EU-Arbeitnehmer in ihrer Landessprache informieren und gezielt nach einer passenden Beratungsstelle in ihrer Nähe suchen:
https://www.eu-gleichbehandlungsstelle.de/beratungsstellensuche
Die Gleichbehandlungsstelle hat den Auftrag, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der EU dabei zu unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen, die ihnen aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland zustehen. Im Rahmen ihres Auftrages bietet sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der EU und ihren Familienangehörigen unabhängige rechtliche oder sonstige Unterstützung durch Beratung und Verweisberatung.
Der Vorgang kann über das folgende Online-Formular gemeldet werden:
https://www.eu-gleichbehandlungsstelle.de/ eugs-de/fachleute/beratungsanfrage
Möglicherweise erleben Alba und ihr Mann Schwierigkeiten mit einer Behörde (z. B. bei der Ausländerbehörde oder der Krankenkasse) und/oder fühlen sich diskriminiert. Dann können sie sich auch über folgendes Formular an SOLVIT wenden:
https://ec.europa.eu/eu-rights/enquiry- complaint-form/home?languageCode=de&origin
=solvit-web
SOLVIT ist ein europäisches Netzwerk von nationalen Beratungsstellen, das sich zur Aufgabe gemacht hat, grenzüberschreitende Probleme innerhalb der EU mit Behörden möglichst schnell (innerhalb von zehn Wochen) zu lösen.