Nichtauszahlung des Lohnes

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Nichtauszahlung des Lohnes

Fallbeispiel
Dimitros hat sich sehr gefreut, als er über eine Internetanzeige Arbeit bei einem Subunternehmen eines großen Logistikunternehmens gefunden hat. Er soll als Kurier und Paketzusteller in Berlin arbeiten. Jetzt ist er bereits seit zwei Monaten tätig und seine Freude schwindet. Dimitros hat nämlich bisher keinen Arbeitslohn erhalten und kein Geld zum Leben mehr. Er hat einige Male bei seinem Chef nachgefragt. Erst hieß es, es hätte einen Fehler in der Buchhaltung gegeben und sein Geld sei versehentlich an einen anderen Kollegen überwiesen worden. Dann hat ihm der Chef gesagt, dass er selbst auf sein Geld vom Auftraggeber warten würde. Er könne Dimitros erst bezahlen, wenn er selbst bezahlt würde. Zuletzt geht der Chef nicht mehr ans Telefon, wenn Dimitros ihn anruft. Dimitros weiß nicht, was er in dieser Situation machen soll und an welche Institution er sich wenden kann.

1. Jobcenter/ Bundesagentur für Arbeit

Dimitros hat kein Geld und die Durchsetzung seiner Rechte kann einige Zeit dauern. Er sollte daher sofort Arbeitslosengeld I bei der lokalen Agentur für Arbeit oder Bürgergeld beim lokalen Jobcenter beantragen.

Arbeitslosengeld I

  • Auch wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht, aber der Arbeitgeber das fällige Arbeitsentgelt nicht auszahlt, kann Dimitros Arbeitslosengeld I beantragen. Das Arbeitslosengeld ist in diesem Fall eine Vorleistung auf die Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers. Geregelt ist dies in § 157 Abs. 3 SGB III und heißt „Gleichwohlgewährung“.
  • Wenn Dimitros vor der Beschäftigung in Deutschland in einem anderen EU-Land gearbeitet hat, können während der Wartezeit gesammelte ausländische Beitragszeiten an sein Arbeitslosengeldanspruch in Deutschland angerechnet werden.
  • Wenn Dimitros die Voraussetzungen für Arbeitslosengeld I nicht erfüllt, kann er beim Jobcenter Bürgergeld beantragen.

Bürgergeld

Dimitros kann den Antrag schriftlich oder mündlich stellen. Das Jobcenter muss ihm die erforderlichen Antragsformulare geben. Dimitros hat einen Rechts- anspruch darauf, dass sein Antrag angenommen und geprüft wird. Die Behörde muss ihm nach der Prüfung einen schriftlichen Bescheid mit Begründung erteilen. Dimitros sollte das ausdrücklich verlangen.

Wenn Dimitros die Voraussetzungen für das Bürgergeld erfüllt, kann er auch einen Vorschuss wegen seiner schwierigen finanziellen Lage beantragen. Das ist ratsam, denn oft dauert die Bearbeitung des Antrags mehrere Wochen.

Die Adressen der zuständigen Behörden vor Ort kann Dimitros online finden:

https://web.arbeitsagentur.de/portal/metasuche/suche/dienststellen

2. Krankenkasse

Dimitros sollte sich bei seiner Krankenkasse erkundigen, ob der Arbeitgeber ihn bei der Sozialversicherung gemeldet und dort Beiträge gezahlt hat.

Wenn Arbeitgeber die Löhne nicht bezahlen, dann bezahlen sie oft auch die Sozialversicherungsbeiträge nicht. Dadurch entstehen Lücken in der Krankenver- sicherung. Um das herauszufinden, muss Dimitros seine Krankenkasse ansprechen.

Falls der Arbeitgeber Dimitros nicht zur Sozialversicherung gemeldet hat, sollte Dimitros seinen Arbeitsvertrag und andere Arbeitsunterlagen bei der Krankenkasse vorlegen, um sein Arbeitsverhältnis nachzuweisen. Die Krankenkasse ist eine Einzugsstelle, d.h. sie muss die Lücke in der Sozialversicherung schließen und die Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber einfordern.

3. Arbeitgeber

Auch wenn Dimitros seine Ansprüche schon mündlich bei seinem Arbeitgeber eingefordert hat, sollte er sich auch schriftlich an den Arbeitgeber wenden und seinen Lohn verlangen (Zahlungsaufforderung). Manchmal steht sogar im Arbeitsvertrag, dass ausstehender Lohn schriftlich verlangt werden muss. Dimitros sollte seinem Arbeitgeber eine Frist zur Zahlung setzen. Das Schreiben kann er selbst oder mit Hilfe einer Beratungsstelle verfassen.

In dem Schreiben kann Dimitros einen sogenannten „Leistungsvorbehalt“ erklären. Das bedeutet, dass er die Arbeit verweigert, solange er seinen Arbeitslohn nicht bekommt. Das Recht dazu hat er nach zwei Monaten Arbeit ohne Lohn.

4. Beratungsstelle

In der Beratungsstelle bekommt Dimitros Information über seine Rechte. Die Beraterinnen und Berater können ihm helfen, eine schriftliche Zahlungsaufforderung zu schreiben oder sie nehmen direkt Kontakt mit seinem Arbeitgeber auf, um den Fall zu klären.

Spezifische arbeitsrechtliche Beratungsstellen:

https://www.bema.berlin/

https://www.arbeitundleben.de/arbeitsfelder/beratungsnetzwerk

https://www.faire-mobilitaet.de/beratungsstellen

Eine deutschlandweite Übersicht aller Beratungsstellen nach Schwerpunkt sowie auch nach Sprache findet Dimitros unter:

https://www.eu-gleichbehandlungsstelle.de/ beratungsstellensuche

Wenn der Arbeitgeber den Arbeitslohn trotzdem nicht bezahlt, muss Dimitros ihn vor dem Arbeitsgericht verklagen, um sein Geld zu bekommen. Für die Geltendmachung des Lohnes gibt es in Deutschland keine Behörde, die dies für ihn tun kann. Dimitros muss daher selbst klagen.

5. Arbeitsgericht

Ohne Rechtsanwalt

Dimitros braucht vor dem Arbeitsgericht nicht zwingend einen Rechtsanwalt, er kann sich auch selbst vertreten. Das Verfahren wird vor dem Arbeitsgericht an demje- nigen Ort geführt, wo Dimitros gearbeitet hat oder wo die Arbeitgeberfirma ihren Sitz hat. Dimitros kann dies selbst entscheiden.

Die Amtssprache vor Gericht ist Deutsch, daher dürfen die Beamten mit Dimitros z. B. nicht Englisch sprechen. Wenn Dimitros nicht gut Deutsch spricht, sollte er sich von einer Person begleiten lassen, die ihm hilft, sich zu verständigen („sprachlicher Beistand“). Das muss kein beeidigter Dolmetscher sein. Ein Freund, der gut Deutsch spricht, kann Dimitros helfen.
 
In jedem Arbeitsgericht in Deutschland gibt es eine Rechtsantragstelle, bei der man alle Unterlagen (Arbeitsvertrag, Stundenliste, Personalausweis) zeigen und seine Forderung mündlich erklären kann. Die Klage wird dort für Dimitros niedergeschrieben. Das kostet kein Geld. Die Rechtsantragstelle darf Dimitros jedoch rechtlich nicht beraten.

Dimitros kann auch das Klageformular ausfüllen und per Post oder Fax an das Arbeitsgericht senden. Die Klagevordrucke sind auf den Websites vieler Arbeits- gerichte zu finden:

Ein Beispiel für ein solches Klageformular findet Dimitros im Anhang unter Anlage IV PDF, 253 KB, Datei ist nicht barrierefrei . PDF, 253 KB, Datei ist nicht barrierefrei

Nachdem er die Klage erhoben hat, bekommt Dimitros eine schriftliche Ladung zu einem Gütetermin. Der Zweck dieses Termins ist es, herauszufinden, ob sich Dimitros und sein Arbeitgeber einigen können. Dimitros kann dafür die Anwesenheit eines Dolmetschers beantragen, den er jedoch selber bezahlen muss. Meist endet das Verfahren vor dem Arbeitsgericht bereits bei diesem ersten Termin mit einer Einigung. In einen solchem Fall würden Dimitros auch keine Kosten entstehen (außer den Dolmetscherkosten).

Wenn es schnell gehen muss, kann Dimitros seinen Lohn vor Gericht im Eilverfahren einklagen. Er muss dann aber darlegen, dass er zwingend auf den Lohn angewiesen ist.

Wenn der Fall nicht kompliziert ist – wie bei Dimitros – kann er seine Forderung alternativ in einem schriftlichen Mahnverfahren stellen.

Vorsicht! Das Formular für das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren sollte man nicht mit dem Formular für das zivilgerichtliche Mahnverfahren verwechseln. Das Formular „Mahnbescheid“ kann man online bestellen oder in Geschäften für Bürobedarf kaufen. Es kostet ca. 3 – 5 € und sehr einfach auszufüllen.

Das Formular Mahnbescheid Arbeitsgericht findet Dimitros im Anhang unter Anlage V. PDF, 245 KB, Datei ist nicht barrierefrei

Dimitros muss das ausgefüllte Formular beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen.

Wenn der Arbeitgeber keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegt, schickt das Gericht Dimitros den Vollstreckungsbescheid zu, durch den es die Zahlung seiner Löhne anordnet.

Mit Rechtsanwalt

Wenn Dimitros nicht allein vor das Arbeitsgericht gehen möchte, kann er sich von einem Rechtsanwalt ver- treten lassen. Einen Rechtsanwalt kann Dimitros z. B. über die Botschaft oder durch eine Empfehlung aus dem Bekanntenkreis finden. Auch auf den Webseiten der Rechtsanwaltskammer gibt es Suchmöglichkeiten, über die man Rechtsanwälte mit verschiedenen Sprach- kenntnissen und Spezialisierungen finden kann.

Ein Beispiel ist die Suchmaschine des Deutschen Anwaltsvereins:

https://anwaltauskunft.de/magazin

Außerdem kann auch eine Beratungsstelle bei der Anwaltssuche behilflich sein.

Die Kosten für den Rechtsanwalt muss er jedoch selber bezahlen. Die Kosten werden Dimitros auch dann nicht erstattet, wenn er das Verfahren gewinnt.

Da Dimitros kein Geld für einen Rechtsanwalt hat, kann er beantragen, dass diese Kosten vom Staat über- nommen werden sollen („Prozesskostenhilfe“). Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Die Klage muss Aussicht auf Erfolg haben und Dimitros muss nachweisen, dass er die Prozesskosten nicht selbst tragen kann. Außerdem ist Dimitros für einen Zeitraum von vier Jahren nach Ende des Gerichtsverfahrens verpflichtet, dem Gericht unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen, wenn sich seine finanziellen Verhältnisse verbessert haben. Wenn seine finanzielle Lage sich in dem Zeitraum merklich verbessert, wird das Gericht anordnen, dass Dimitros die Kosten zurückzahlen muss! Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird mithilfe eines Formulars gestellt, das man beim Gericht bekommt oder auch online finden kann:

Das Formular zur Prozesskostenhilfe findet Dimitros im Anhang unter Anlage VI. PDF, 1 MB, Datei ist nicht barrierefrei

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe muss in deutscher Sprache ausgefüllt und eingereicht werden. Die Übersetzung des Antrags und Ausfüllhinweise in mehreren Sprachen sind auf der Website des Bundesjustizamts zu finden:

https://justiz.de/service/formular/f_allgemeines/index.php

Den Antrag auf Prozesskostenhilfe reicht Dimitros am Arbeitsgericht ein. Wenn der Antrag bewilligt wird, werden die Kosten für den Rechtsanwalt und die Gerichtskosten übernommen.

Wenn Dimitros Mitglied einer Gewerkschaft ist, kann ein gewerkschaftlicher Rechtsanwalt ihn kostenfrei vor Gericht vertreten.

6. Meldebehörde/ Handelsregister

Wenn das Arbeitsgericht schreibt, dass der Arbeitgeber unbekannt verzogen ist, muss Dimitros dem Gericht die neue Anschrift des Arbeitgebers mitteilen. Er kann sich an die Meldebehörde oder an das Handelsregister wenden, um die neue Anschrift herauszufinden.

In der Meldebehörde bekommt man die Melderegisterauskunft, wenn man angibt, dass man eine Klage gegen den Arbeitgeber eingereicht hat (im Formular:
„Verwendungszweck: Gerichtliche Geltendmachung der Lohnforderungen“).

Das Formular zum Antrag auf Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft bei der Meldebehörde findet Dimitros im Anhang unter Anlage VII. PDF, 266 KB, Datei ist nicht barrierefrei

Wenn die Firma im Handelsregister erfasst ist, kann Dimitros die Anschrift über das Handelsregister ermitteln. Das Handelsregister wird vom Amtsgericht geführt, den Auskunftsantrag kann man auch online stellen:

https://www.online-handelsregister. de/?gclid=CjwKCAjw_JuGBhBkEiwA1xmbRS s6P8JJvTwclctetcgQHJsevhH0DqcET5E 3Q48IJz0PC0maPUcXLhoCGq0QAvD_BwE

Das Formular zum Antrag auf Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft beim Handelsregister findet Dimitros im Anhang unter Anlage VIII. PDF, 171 KB, Datei ist nicht barrierefrei

Wenn Dimitros auf diesen Wegen keine Auskunft erhält, kann er beim Arbeitsgericht beantragen, dass die Klage zugestellt wird, indem sie im Gericht öffentlich ausgehängt wird.

Das Formular zum Antrag auf eine öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthalt des Adressaten findet Dimitros im Anhang unter Anlage IX. PDF, 239 KB, Datei ist nicht barrierefrei

7. Amtsgericht

Wenn der Arbeitgeber nach einem Urteil oder Vergleich des Gerichts nicht freiwillig zahlt, wendet sich Dimitros an einen Gerichtsvollzieher, um eine Zwangsvollstreckung einzuleiten. Der Gerichtsvollzieher wird durch das Amtsgericht zugeteilt, wo der Arbeitgeber seinen Wohnsitz/seine Niederlassung hat.

Die Anschrift des zuständigen Amtsgerichts kann Dimitros online finden:

https://www.gerichtsverzeichnis.de/

8. Bundesagentur für Arbeit

Manchmal schließt der Arbeitgeber den Betrieb und zieht um. Manchmal stellt der Gerichtsvollzieher fest, dass der Arbeitgeber bereits eine eidesstattliche Erklärung abgegeben hat und seit langem die Betriebstätigkeit eingestellt hat. Oder man erfährt, dass die Firma Insolvenz gemeldet hat. Dann kann auch der Zwangsvollstrecker das Geld nicht eintreiben.

In all diesen Fällen ist der Arbeitslohn von Dimitros für maximal drei Monate durch das sogenannte Insolvenzgeld gesichert. Dafür muss er innerhalb von zwei Monaten nachdem die Firma Insolvenz angemeldet hat einen Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit stellen, dort wo der Arbeitgeber seinen Sitz hat.

Der Antrag auf das Insolvenzgeld findet man online:

https://www.arbeitsagentur.de/datei/ AntragInsolvenzgeld_ba013115.pdf

Das Formular zum Antrag auf Insolvenzgeld findet Dimitros im Anhang unter Anlage X. PDF, 1 MB, Datei ist nicht barrierefrei

9. Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)

Wenn der Arbeitgeber den Arbeitslohn nicht zahlt, verstößt er z. B. gegen das Mindestlohngesetz und kann sich dadurch strafbar machen. Daher kann Dimitros eine Anzeige bei der örtlichen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) erstatten. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist eine Behörde, die Arbeitgeber kontrolliert und
u. a. prüft, ob diese den Mindestlohn bezahlen und die Sozialbeiträge für die Beschäftigten korrekt abführen. Für die Prüfung des Falls von Dimitros ist die FKS in der Region zuständig, in der sein Arbeitgeber registriert ist.

Die Adresse der zuständigen FKS kann Dimitros auf folgender Internetseite finden:

http://www.zoll.de/DE/Service/Dienststellensuche/FKS/Schritt_02/_function/
Dienststellenfinder_Anliegen_FKS_Formular.html

Dimitros kann sich persönlich bei der FKS melden, eine Anzeige erstatten und eine Aussage machen. Wenn das nicht möglich ist, kann er auch online eine Mitteilung abgeben:

https://www.zoll.de/DE/Kontakt/Meldung_ FKS/kontakt_node.html

Die Anzeige von Dimitros kann dazu führen, dass die FKS prüft und ermittelt. Das hilft Dimitros zwar nicht, seinen Arbeitslohn zu bekommen, jedoch kann der Arbeitgeber dann bestraft werden. Der Arbeitgeber kann dann mit einem Bußgeld oder sogar mit Freiheitsstrafe für Steuer- und Sozialversicherungsbetrug bestraft werden. Zur effizienten Überprüfung und Bearbeitung des Falls braucht die FKS möglichst viele Informationen. Daher sollte Dimitros Angaben zur Dauer des Beschäftigungsverhätnisses, der täglichen Arbeitszeit, den erhaltenen Beträgen, Zeugen usw. machen.

Dimotros sollen grundsätzlich keine Nachteile daraus entstehen, dass sein Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt hat. Die Lücken aller Sozialversicherungszweige (Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung) müssen nach Bekanntwerden der Vorgänge von der jeweiligen Versicherung geschlossen werden. Der Versicherungsschutz bleibt vollumfänglich bestehen.